„Just when the caterpillar thought her life was over, she began to fly“
(English Proverb)
02.05.2019
Ursprünglich wollte ich den Beitrag über den Besuch meiner Mama und meiner Schwester fertig schreiben und hochladen (die sind jetzt auch schon wieder fast eine Woche weg…), aber irgendwie habe ich heute ziemlich viel nachgedacht und wollte darüber schreiben. Ich glaube, das hier wird ein sehr persönlicher Beitrag, aber der Blog ist für mich ja vor allem dazu da, alles Erlebte als aufgeschriebene Erinnerung zu haben.
Heute ist der 02.Mai 2019. Ein Tag wie jeder andere, aber für mich irgendwie besonders. Vor genau einem Jahr war die letzte Abi-Klausur, Mathe. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl vor dem Abi, ich hatte die totale Panik, an die Anspannung (und teilweise Resignation) während der Klausur und die Erleichterung, der abfallende Stress, als ich meine Klausur abgab und die Turnhalle verließ. An die Freude und Euphorie danach, das Feiern mit meiner Stufe und später auf der Karlshöhe mit gefühlt allen Abiturienten Stuttgarts.
All das ist jetzt ein Jahr her, und in dem Jahr ist so viel passiert, dass es sich manchmal so anfühlt, als wären in der Zeit drei Jahre vergangen. Ich habe die Schule abgeschlossen, bin viel gereist, habe Menschen kennengelernt und andere verloren. Es gab viele schöne Momente, die Interrail-Tour ist ein Highlight des Jahres, genauso wie die Reisen nach Berlin und Lissabon mit meinen Eltern. Ich habe viel Zeit am Feuersee verbracht und einen Freundeskreis gefunden, in dem ich mich super wohl fühle. Andere Dinge waren nicht schön und an manche Momente würde ich mich lieber noch erinnern, ich weiß z. B. noch genau, wie sehr es mir geschadet hat, keine Routine mehr im Leben zu haben und wie traurig mich die eine oder andere Situation gemacht hat, oder wie chaotisch mein Leben zwischen Arbeiten, die ganze Nacht wach sein und emotionsgesteuerten Entscheidungen war.
Die Entscheidung, nach Nepal zu gehen, habe ich in einer ziemlich verzeifelten Phase getroffen, weil Valerie gesagt hat, ich muss jetzt etwas finden, womit ich die Zeit bis zum Studium füllen kann. Weil ich nicht wusste, was ich machen wollte, wo ich sein wollte, wie ich dafür sorgen kann, dass es mir besser geht, habe ich Pia angeschrieben, auf deren Instagram ich immer über das gelesen habe, was sie in Nepal erlebt. Ich dachte, ich müsste weg aus Stuttgart, mein Glück woanders suchen. Das Zitat „You can’t heal in the same environment that made you sick“ passt sehr gut zu diesem Gedanken.
Meine Hoffnung, als ich nach Nepal kam, war, mich zu verändern, herauszufinden, was ich im Leben oder vom Leben will, glücklicher zu werden und das Chaos in meinem Kopf und in meinem Leben zu beseitigen.
Heute, wo sich das Ende der schriftlichen Abi-Prüfungen jährt, habe ich viel darüber nachgedacht, was in diesem Jahr alles passiert ist, wo ich jetzt im Leben stehe und inwiefern ich mich, vor allem seit ich hier in Nepal bin, verändert habe.
Natürlich habe ich mich äußerlich verändert, was meiner Mutter zum Teil nicht so gut gefällt🙈. Neben dem Piercing hat sich auch endlich mal meine Hautfarbe verändert, ich bin nicht mehr Alpina-Weiß!🎉 Aber das sind nicht die Veränderungen, die ich meinte.
In dem einen Jahr hat sich ohne Zweifel vieles für mich geändert und es hat mir auch einigen Trouble beschert. Seit ich hier bin, merke ich, wie ich mental irgendwie ruhiger bin, ich stresse mich selbst nicht mehr so viel mit allem. Ich bin mutiger geworden, anpassungsfähiger und kann mehr aushalten. Ich habe neue Skills gelernt, Wäsche mit der Hand waschen, in einer WG leben, wo man sich selbst darum kümmern muss, dass alles sauber bleibt, und ich kann meine Launen besser kontrollieren. Nepal, diese komplett andere Welt ist zu meiner geworden, und ich kann mit allem, was hier passiert, umgehen, Lösungen finden oder Dinge auch einfach mal aussitzen. Manchmal bin ich noch der alte Chaoskopf, und ich habe immer noch nostalgische Momente, aber ich bin over all in Nepal einfach glücklicher und gelassener geworden. Vor vier Monaten hatte ich teilweise Panik davor, mein Leben zu leben, alles, was die Zukunft betraf, hat mir Angst gemacht. Diese Angst ist komplett verschwunden. Ich habe, seit ich hier bin, eine genauere Idee davon, was ich gerne studieren würde und wo ich gerne landen würde, der räumliche Abstand hat da wirklichen einen Unterschied gemacht. Über mehr mache ich mir, was die Zukunft anbelangt, keine Gedanken. Eine ganz wichtige Sache, die ich gelernt habe, ist zu versuchen, mir nicht zu viel den Kopf zu zerbrechen und mich stattdessen darauf zu konzentrieren, was jetzt passiert. Was gibt meiner Zukunft das Recht, jetzt schon so präsent in meinen Gedanken zu sein, dass ich die Gegenwart nicht richtig erleben und genießen kann? Vor einem Jahr hätte ich mir nichts von dem, was passiert ist, vorstellen können, und ich hätte niemals gedacht, dass ich in Nepal landen und mich dort so wohl fühlen werden würde. Alles, was im letzten Jahr passiert ist, hat dazu geführt, dass ich jetzt hier bin und durch diese Routine und diese Menschen so glücklich bin. Darüber nachzudenken gibt mir das Vertrauen, dass alles für etwas gut ist und dass sich im Endeffekt doch alles zum Besten wendet. Es ist egal, wie viel man über die Zukunft nachdenkt, am Ende kommt doch alles komplett anderes als alles, was man sich vorstellt, deswegen kann man es auch gleich lassen😋. Und ich bin überzeugt davon, dass sich alles so zusammenpuzzlet, wie es zusammen gehört.